Sorbisches Institut
„Volkskultur“ und Kultur- und Kreativsektor bei den Sorben/Wenden in Transformation
Die gesellschaftlichen Veränderungen nach 1989/90 führten zu einem tiefgreifenden Wandel auf kulturellem Gebiet auch bei den Sorben/Wenden. Etablierte Formen in der Kunst- und Kulturarbeit im professionellen wie Amateur- und Laienbereich, die sich bis dahin oftmals institutionalisiert hatten, wurden zügig aufgelöst. Um diese Auflösungsprozesse aufzufangen, entstanden vielmals neue Trägerschaften, oft in Form eingetragener Vereine und nun als Ausdruck zivilgesellschaftlichen Engagements. Gleichzeitig kommt dem Kultur- und Kreativsektor gerade bei Minderheiten eine besondere Bedeutung zu, stellt diesen jedoch aufgrund der implizierten Monetarisierung seines „kulturellen Erbes“ zugleich vor spezifische Herausforderungen. Kultur- und Kreativschaffende mussten sich auf dem neuen Markt orientieren. Im Fokus der Untersuchungen stehen daher Strategien im Umgang mit sogenanntem kulturellen Erbe als Ressource kultureller Resilienz im Minderheitenkontext, denn neben der mehrkulturellen Selbstverortung von AkteurInnen und Institutionen erweist sich die gleichzeitige Ökonomisierung zunehmend als Spagat.
In verschiedenen Projekten in der Abteilung Kulturwissenschaften am Sorbischen Institut/Serbski institut wird diesen Entwicklungen an ausgewählten Beispielen nachgegangen. Ein Augenmerk liegt auf dem 1954 gegründeten Haus für sorbische Volkskunst, später Haus für sorbische Volkskultur, das 1994 aufgelöst wurde und dessen Nachlass im Sorbischen Kulturarchiv in Bautzen/Budyšin erschlossen ist. Einerseits geht es um die Analyse der Schaffung, des Wirkens und der Auflösung des Hauses. Andererseits geht es aber auch um die Untersuchung der Bedeutung des Hauses und der damit verbundenen Entwicklungen nach der Abwicklung und der Weiterführung bis heute. Ein weiteres richtet sich auf die wissenschaftliche Untersuchung der Genese des Kultur- und Kreativsektors sowie der spezifischen An- und Herausforderungen bei den Sorben/Wenden vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Umbruchs von 1989/90, des Übergangs von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft sowie der sich in der Spätmoderne verstärkenden Einflüsse von Globalisierung, Transkulturalisierung und Digitalisierung. Im Fokus steht die Betrachtung von Brüchen, Kontinuitäten und Neuentwürfen von Strategien von Kunstschaffenden im Umgang mit sogenanntem kulturellem Erbe zwischen ökonomischer Inwertsetzung und ethnischer Selbstvergewisserung. In beiden Forschungsvorhaben werden kontinuierlich Interviews mit Akteur:innen geführt und in ihrer Verknüpfung mit dem sorbischen/wendischen Institutionengefüge vergleichend analysiert.
Bearbeiterinnen: Ines Keller, Theresa Jacobs